D&D-Tip: Persönliche BH-Beratung in Hannover

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Dienstag, 26. Juli 2011

Eine Frage der Statik: BHs selber nähen?

Im Anschluß an Brittanys letzten Beitrag auf Thin&Curvy zum Thema Why do I advise women to measure themselves? (Warum ich Frauen rate, sich selbst zu vermessen) ergab sich in den Kommentaren zum Posting eine heiße Diskussion zum Thema BHs selber nähen.

Ausgangspunkt war Angelas Suche nach einem passenden BH.
Mit den Maßen 36/52 inches, also ca. 91.5cm Unterbrustumfang (herkömmlich gemessen) und 132cm Brustumfang trägt sie derzeit einen Panache Sienna Bra (Black/Aqua) in 36K, der ihr nicht optimal paßt. Da es jenseits des K-Cups nur noch wenig Angebot gibt, hatte sie in einem Kommentar überlegt, sich am Selbernähen zu versuchen.

Eine weitere Leserin, Helena, wandte darauf ein, daß BHs-nähen sehr schwierig ist und es für Angela doch sinnvoller wäre, sich erst einmal bei den einschlägigen britischen Marken umzusehen.

Eine dritte, anonyme Leserin, die offensichtlich viel Erfahrung im Nähen von Kleidungsstücken hat, fühlte sich von dieser Aussage wiederum beleidigt und erklärte lang und breit, daß sie bereits diverse passende BHs angefertigt hätte und im Selbernähen für eine erfahrene Schneiderin gar kein Problem sähe.

Der genaue Zusammenhang zwischen der Aussage und deren angeblich beleidigendem Charakter  blieb erst mal unklar, denn nicht nur hatte Angela geschrieben, Nähen erst lernen zu wollen, beim in Frage stehenden Größenbereich handelte es sich auch um unterschiedliche Voraussetzungen: Die Leserin Anonymous 3 gab an, einen 32D-BH von Victoria's Secret auseinandergenommen und als 28DDD nachgenäht zu haben. Dieser - und andere - habe eine weitaus bessere Qualität als alle britischen Marken-BHs, die sie jemals gesehen habe , und - so ihre etwas fragwürdige Schlußfolgerung - vermutlich auch als die, die alle anderen Diskussionsteilnehmerinnen je besessen hätten. Daß es sich bei ihren BHs um im Vergleich höherwertige Produkte handle, begründete sie vor allem mit dem individuell angepaßten Schnitt und sorgfältigerer Arbeit als bei der Herstellung in Billiglohnländern möglich/üblich. Auf die benötigte Größe kam sie wiederum mit keinem Wort zu sprechen.

Nun erlaubten sich sowohl Helena als auch Angela noch einmal explizit darauf hinzuweisen, daß es sich bei der in Frage stehenden 36Kplus um eine Cupgröße handle, die nicht nur fortgeschrittene Nähkenntnisse sondern auch einen nicht unwesentlichen Anteil technisches KnowHow erfordere, woraufhin sich Anonymous 3 erst recht aufregte. Praktisch hätte sie zwar bisher nur BHs für sich selbst genäht. Theoretisch wisse sie aber auch wo sie Schnitte und Material für die Größe 42FF, eine Äquivalentgröße zu US-34L, herbekäme und eine gute Schneiderin könne den Schnitt ja wohl anpassen. Sie ereiferte sich so über die Beleidigungen und ungerechtfertigte Kritik ihrer Nähkünste, daß Britanny sich schließlich gezwungen sah, die "Debatte" für beendet zu erklären.

Nun könnte ich die ganze Sache - läge mir das Thema nicht so sehr am Herzen - auch einfach als etwas albernen Zwischenfall abhaken. Aber am liebsten würde ich noch ne Runde schimpfen wie ein Rohrspatz um mir ein bißchen Luft zu machen! Ich finde es ein Unding, wie sich da eine Leserin kurzerhand zum Opfer einer Diskussion erklärt, ohne sich im geringsten mit der eigentlichen Problemstellung zu beschäftigen.

Im Endeffekt hat Anonymous 3 nämlich nur bestätigt, was ihr Angela und Helena vorgeworfen haben - nämlich nicht den blassesten Schimmer von der in Frage stehenden Größe zu haben.  Und zwar nicht nur in praktischer, sondern auch in theoretischer Hinsicht. 34L wurde von ihr - amerikanisch - als eine Kreuzgröße von UK-42FF interpretiert. Unklar, was sie dazu bewogen hat, denn es wird aus Angelas Worte sehr deutlich, daß sie eine britische 34L meint. Wenn wir also so "übersetzen" wie Anonymous 3 dann handelt es sich bei einer us-amerikanischen 34L nur um eine britische 34HH - die Cups J, JJ, K, KK und L fallen dabei *schwupps* unter den Tisch.

Nun möchte ich gar nicht in Frage stellen, daß man mit ausreichend Wissen und Erfahrung in dem Bereich und einem passenden Schnittmuster einen BH der Größenordnung 36K, KK oder L (UK) nachnähen kann. Es gibt ja auch Personen, die diese Schnitte entwickeln. Man kann nur nicht oft genug sagen, daß es sich bei der Konstruktion von BHs um eine hochkomplizierte Angelegenheit handelt. Und zwar erst mal unabhängig von den fortgeschrittenen Statik-Anforderungen in den großen Cupgrößen.

Eine Brust wird ja nicht nur größer - sie verändert auch ihre Eigenschaften. Ganz abstrakt läßt sich sagen, daß kleine Brüste meist weniger in die Tiefe reichen und sich ihr Volumen auf einer relativ breiten Basis verteilt, während größere Brüste immer weiter in die Tiefe wachsen, also bei einer vergleichsweise kleinen Grundfläche eher länglich werden. Unabhängig von den vielen existierenden Brustformen kann man diese Feststellungen soweit verallgemeinern, daß die Passform-Anforderungen an BHs je nach Brustgröße variieren, das heißt ein BH kann nicht einfach in größeren Größen reproduziert werden - sein Schnitt, sein Aufbau muß neu durchdacht und angepaßt werden.
 
Je größer nun das Cup, das heißt je mehr Volumen und Gewicht vom BH gehalten und geformt werden muß, desto komplizierter ist die Konstruktion.


Vor einer Weile bin ich über die Website eines Wäscheladens in L.A. (www.jenettebras.com) auf einen Artikel der Zeitschrift Science and Mechanics aus dem Februar 1964 gestoßen, der die Konstruktion von BHs mit der von Brücken vergleicht. Der Autor Edward Nanas schreibt (sinngemäß) in "BRASSIERES:
An Engineering Miracle":
Die Konstruktion eines BHs ist schwieriger als es auf den ersten Blick den Anschein hat. In vielerlei Hinsicht ist das Projekt, eine halb-feste Masse variablen Volumens und veränderbarer Form zu halten und zu stützen, (...) hinsichtlich des Design-Aufwands eine vergleichbare Herausforderung wie der Bau einer Brücke.
Im Folgenden erklärt Edward Nanas den technischen Aufbau eines BHs, die Herausforderung das Gewicht der Brüste über das Unterbrustband, nicht die Träger zu stützen und gibt einen sehr interessanten Einblick in BH-Design der 60er Jahre. Nanas beendet seine Ausführungen mit der heute sehr amüsant wirkenden Bemerkung, daß man der Sowjetunion bei der Konstruktion von BHs technisch gesehen um mindestens 30 Jahre voraus sei. ;)

So, Zeitsprung zurück nach 2011:
Alle, die die Größenentwicklung auf dem BH-Markt mitverfolgen, wird bekannt sein, daß es zwar beständig aber doch nicht in Lichtgeschwindigkeit voran geht und bei neuen Konstruktionen immer wieder zu Rückschlägen kommt: Neue Schnitte und Größen werden angekündigt und dann doch nicht produziert oder schnell eingestellt, vermutlich weil sie den Praxistest nicht bestehen. 
(Ich berichtete bereits über das lange Warten auf den Multiway-BH, ähnliches gilt für Plunges, Halfcups, Bademode über UBB40/90 oder gute trägerlose BHs in großen Cupgrößen - sie erscheinen gemächlich auf der Bildfläche, tröpfeln peu à peu in die Shops.)

Das Angebot über dem magischen G-Cup hat sich in den letzten Jahren aber stetig verbessert - mittlerweile gibt es viele Modelle bis J, einige bis K und eins sogar bis L-Cup. Das heißt Frauen wie Angela, die früher auf Maßanfertigungen angewiesen waren, werden mehr und mehr vom Markt berücksichtigt. Anfallende Näharbeiten beschränken sich dadurch auf kleinere Notfall-Korrekturen wie Unterbrustband kürzen oder stabilisieren, die man schon ohne profunde Nähkenntnisse durchführen kann.

In diesem Zusammenhang sollte auch das Bewußtsein für vorhandene Größen und unterschiedliche Bedürfnisse wachsen. Selbstverständlich ist damit nicht ausgeschlossen, daß einem bisweilen die Vorstellungskraft fehlt, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Von "Fachfrauen" - sei es nun die Schneiderin Anonymous 3, die sich offensichtlich als solche begreift, wie auch von Wäscheverkäuferinnen, Brafitterinnen usw. - erwarte ich dann aber auch zumindest soviel Selbstreflexion, daß sie nicht stur auf ihrer Position beharren und ggf. einfach zugeben, daß sie keine Ahnung haben, statt sich hauptsächlich mit eigenen Egoproblemen zu beschäftigen.

Na, wie ihr sehen könnt, ich hab mich über die Lady echt geärgert...;)


patent 3,030,962 for a strapless bra,
issued to Arthur Garson, Lovable Co.

Quelle Zitat + Bilder:
BRASSIERES: An Engineering Miracle From Science and Mechanics, February, 1964 by Edward Nanas  

Hey, ich bin george und schlecht darin, mich kurz zu fassen. Ich tummle mich mit multiplen Persönlichkeiten im Netz, einige kennen mich vielleicht unter meinem Terry Pratchett-Pseudonym. Zu meinen Hobbies gehört Nörgeln, Kaffeetrinken und Prokrastinieren. Mehr Persönliches gibt es im Jahresrückblick 2013 und auf meiner Vorstellungsseite. [x]

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